Auch ihr unbestrittener Kultfaktor konnte Freds Neuner GPz nicht davor bewahren, ihres markanten Outfits komplett beraubt und in einen neuen, nicht weniger markanten GFK-Bikini gesteckt zu werden. Nach 90.000 Kilometern auf dem Zähler war es einfach höchste Eisenbahn für eine Frischzellenkur.
So sehr alte Motorräder zur Korrosion neigen mögen – alte Liebe rostet bekanntlich nicht. Und so holte sich Fred seine Kawa sogar wieder zurück in den Stall, nachdem er sie eigentlich schon zugunsten eine jüngeren Geliebten davongejagt hatte. Da ihr Käufer der alten Dame nicht lange treu bleiben wollte, bekam sie letztlich doch bei Fred ihren Alterssitz. Ruhe sollte sie dort zwar nicht bekommen, dafür aber umso mehr aktive Zuwendung.
Schuhgröße 180
Die originale Eierschale auf dem Transfermarkt zu einem Teil des Umbau-Budgets zu verwandeln, war kein großes Problem. Und stand die GPz splitternackt vor Fred und offenbarte, dass außer einem ernstzunehmenden Motor nicht viel dran war – was in den Achtzigern als Fahrwerk erachtet wurde, löste bei Menschen mit zeitgemäßen Ansprüchen ans Fahrverhalten eher Mitleid aus: Mal abgesehen davon, dass das bei einem Umbau wie dem hier angedachten auch eine nicht zu vernachlässigende optische Rolle spielt. Damit nicht alleine die Radaufhängungen schon ein Vielfaches des Restwerts der Maschine verschlangen, beließ es Fred bei dem Mindestmaß an Update, um Aussehen und Fahrverhalten halbwegs auf Stand zu bringen: Neue Felgen, in diesem Fall aus dem reichhaltigen Honda-Sortiment, verschaffen dem Alteisen eine standesgemäße Schuhgröße und die Option, aktuelle Reifen verwenden zu können.
Dass sich diese Kringel nicht mal einfach so in die Greifer stecken lassen, in denen zuvor ein 18- und ein 16-Zöller von der Breite eines mittelmäßig belegten Thunfisch-Sandwichs rotierten, überrascht nicht. Ebensowenig, dass Fred die nötigen Anpassungen einem Profi für solche Fälle überließ: Extreme-Eddie kennt sich von Berufs wegen mit solchen Fällen aus und generierte die nötigen Buchsen und Lager, und selbst mit diesen war es immer noch absolute Millimeterarbeit, insbesondere das Hinterrad samt Kette sowie die Bremszangen in Spur und Funktionsfähigkeit zu bringen. Eddie war auch der richtige Mann, um die Vorzüge einer 1984er-Erstzulassung voll auszukosten: Angesichts der mit diesem Stempel im Schein weitgehend freien Entfaltung bei der Abgasentsorgung konnte diesbezüglich das Design ungeachtet aktueller Lärmgrenzen im Vordergrund stehen. Dass Eddie beim Erdenken und Erschaffen des kunstvoll unter den Höcker zielenden Edelstahlkrümmers auch das Wohlbefinden des Triebwerks nicht aus den Augen verlor, war Ehrensache. In Kombination mit offenherzigen Luftfiltern war eine Neuabstimmung dennoch unumgänglich, führte letztlich aber auch zum Erfolg in Form eines sauber zupackenden Reihenvierzylinders.
Um den auskosten zu können, empfahl es sich, auch noch eine würdige Sitzgelegenheit anzupflanzen. An einer komplett neue Heckrahmen-Anhaftung an der zierlichen Stahlschleife führte dafür kein Weg vorbei – ebenso wenig daran, diese direkt an den Hauptrahmen anzuschweißen. Da die Karre sowieso noch bei Eddie in Behandlung war, warf auch dieser Programmpunkt keine schwerwiegenden Probleme auf – dass auch der gewollt überschaubare GFK-Behang für Höcker und Gabel aus dem hauseigenen Sortiment entnommen wurde, war ebenso naheliegend wie – den Fotos eindeutig zu entnehmen – zielführend. Auf diese Weise ist ein Bike entstanden, dass seine alten Gene bei aller neuzeitlichen Fighter-Konfiguration nicht verleugnen kann und will. Der Kontrast spiegelt sich in vielen Details wieder – besonders schön beispielsweise in den filigranen Tastern auf den grobschlächtigen Plastik-Armaturen, denen die Achtziger aus jeder porösen Naht tropfen. Die wirklich leckere und ausgesprochen individuelle Feinstaub-Pipeline alleine ist ein würdiger Hingucker, der beide in dieser GPz vereinten Welten gleichermaßen bedient.
An modelltypischer Optik mag die GPz eine Menge eingebüßt haben – an Kultfaktor sicherlich nicht.
Basismodell: Kawasaki GPz 900 R, Baujahr 1984
Motor: Serie mit modifizierten Vergasern und Einzelluftfiltern
Auspuff: Eigenbau-Krümmer mit Laser-Endtöpfen
Rahmen: Serie mit Eigenbau-Heckrahmen
Schwinge: Serie, modifiziert
Gabel: Serie mit Offset-Brücke
Felgen: Honda CBR 600 3,5×17 vorn, Honda CBR 900 5,5×17 hinten
Bremsen: Serie mit Honda-Scheiben und Stahlflexleitungen
Höcker: Extremebikes
Maske: Extremebikes
Bugspoiler: Extremebikes
Sonstiges: ABM-Lenker, modifizierte Serie-Fußrastenanlage, Mikroblinker, Extremebikes-Tacho, Stripe-Rücklicht, Highsider-Spiegel, Zubehör-Kotflügel, auf Prüfstand neu abgestimmt