Eigentlich wollte Philipp seine 1986er Knicker zu einem stilechten Scheunenfund werden lassen. So sehr die alte Lady es sich verdient hatte, an ihr zu hängen, so wenig konnte sie dem, was man im 21. Jahrhundert unter Fahrspaß versteht, noch gerecht werden. Die Pläne änderten sich allerdings, als Philipps neue Fahrmaschine in die ewigen Jagdgründe einging.
Auf einmal weckte die Suzuki mit dem eher wackeligen Chassis wieder Begehrlichkeiten. Allerdings gar nicht mal im Sinne von “Besser schlecht fahren, als gar nicht fahren”. Vielmehr war in Philipp das Bewusstsein herangewachsen, dass es keinen Grund gibt, ein Motorrad so hinzunehmen, wie das japanische Fließband es schuf. Dank Typen wie Ralf nichtmal, wenn man selbst nicht der begnadeste Selbstbauer ist.
Werkstatt statt Scheune
Ralf hatte nämlich eine Werkstatt, die genau für solche Fälle gegen ein paar Muscheln im Sparschwein Abhilfe sorgt – auf individueller Ebene, und auch (und gerade) in Sachen Fahrwerksqualität. Das konnte bei diesem alten Eisen nur bedeuten: Komplett austauschen. Zumindest fast: Die USD-Stempel stammen aus einer zeitgemäßen Markenkollegen und finden sich dank eines neuen Jochs problemlos in ihrem neuen Arbeitsumfeld zurecht. Der Stammbaum der Felgen lässt sich ebenfalls bis in den Suzuki-Baukasten zurückverfolgen – die artgerechten Maße sorgen für eine zeitgemäße Reifenauswahl. Nur die Schwinge der Knicker durfte bleiben – wenn auch nicht, wie sie war: Vor allem der Optik wegen wurde hier in der Länge pralle zehn Zentimeter eingeschweißt. Und spätestens mit dieser Modifikation ist der stabilisierende Unterzug dann wieder mehr als nur ein optisches Gimmick, sondern vielmehr eine statische Notwendigkeit. Nur eben eine mit Stil.
Apropos Stil: Die Optik sollte sich natürlich auch grundlegend ändern. Und auch wenn eine lange Schwinge etwas mehr Spielraum in Sachen erträglicher Höckergröße gibt, kombiniert sie sich auch mit einer kompakten Lösung wunderbar. Die Oldschoo-Formensprache dieses Exemplars spricht für sich – lässt aber auch die verbliebenen markanten Knicker-Formen (Tank und Rahmen) sprechen. Und zwar eine schöne Sprache, die durch die Vintage-Suzuki-Lackierung zu einem stiftigen Gesamtbild veredelt wird.
Nun trägt zum Fahrspaß bekanntlich nicht nur das Fahrwerk und der Blick in die spiegelnde Schaufensterscheibe beim Vorbeifahren bei, sondern ganz erheblich auch der Motor. Auch wenn der Umbau auf gleichförmige Elfer oder Zwölfer-Motor-Pendants ebenso machbar wie etabliert ist, wollte Philipp den alten 750er-Four realtiviert wissen. Angesichts der Neukonfiguration mit kurzem Auspuff, Flachschiebern und offenherzigen Luftfiltern stellte das Ralf vor eine Herausforderung, die er nach langen Stunden des Frickelns aber zufriedenstellte bewältigte. So zufriedenstellend, dass Philipp seine alte Lady wieder zur Nummer eins erklärte und wenig Bedarf hat, sie für eine Jüngere sitzen zu lassen. Schade ist das nur für denjenigen, dem nun ein geiler Scheunenfund entgeht.
Modell: Suzuki GSX-R 750, Baujahr 1986
Motor: Serie mit 36er Flachschiebervergasern
Auspuff: gekürzter Serienkrümmer mit BOS-Schalldämpfer
Rahmen: Serie mit Eigenbau-Heckrahmen
Schwinge: Serie, modifiziert
Gabel: Suzuki TL 1000 mit Covern
Felgen: Suzuki GSX-R, 3,5×17 vorn, 5,5×17 hinten
Bremsen: TL 1000-Zangen und GSX-R-Scheiben vorn, GSX-R hinten, Stahlflexleitungen
Höcker: Bimbo’s
Tank: Serie
Scheinwerfer: Zubehör
Kotflügel: Buell, modifiziert
Sonstiges: TRW-Lenkerstummel, Eigenbau-Kotflügelhalter, Eigenbau-Bremsflüssigkeitsbehälter, Ochsenaugenblinker, Brems/Rücklicht/Blinker-Kombi hinten, Zubehör-Tacho, Zubehör-Lenkerendenspiegel, Elektrik modifiziert und unter den Tank verlegt